Barranco, dort wo sich die Boheme von Lima tummelt
Wenn die Sonne am Horizont in den Pazifischen Ozean abtaucht, dann erwacht so langsam das Leben im Barrio Barranco in Lima.
Die Nachtschwärmer, jene illustre Gesellschaftsschicht, die man in jeder Ecke der Welt an bestimmten Orten ausmachen kann, trifft sich allnächtlich in Lima in dem kleinen Distrikt Barranco.
Das alte, nostalgische Viertel blickt schon seit ewigen Zeiten auf die wogenden Wellen des Pazifischen Ozeans hinaus. Durch die engen Gassen ziehen von Unternehmungslust getrieben die Schlaflosen der Stadt, um sich von der Musik und dem Treiben des Viertels berauschen zu lassen. Hier und da sitzt ein einsamer Poet, der seine Inspiration im tiefen Schlund eines Bierglases zu finden sucht.
Auch unsere kleine Gruppe plant den Einstieg in das Nightlife Limas.
Nach einer wahnsinnigen Fahrt in dem „Combi asesina“ (etwa Mörderbus, einem Namen, den die Einheimischen diesem öffentlichen Transportmittel verliehen haben), wagen wir uns in das brodelnde Barranco.
Schon nach den ersten Schritten steigen uns die verführerischen Düfte, die von den glühenden Parilladas (Grill) entweichen, in die Nase. Angezogen von den wohlriechenden Aromen schlendern wir über eine „feria de comida criolla“ (Essensmarkt mit lokaler Küche), die hier nur an den Wochenenden stattfindet.
Die meisten von uns entscheiden sich nach einer genaueren Überprüfung des Angebotes für die ausgezeichneten Fleischspiesse, die mit kleinen Kartoffeln, Maiskolben und scharfem Chili serviert werden.
Gestärkt von dem guten Mahl verlassen wir die Feria und schlendern hinunter ans Meer, um einen Blick in die dunkle Nacht zu werfen.
Auf dem Weg zurück beobachten wir die verliebten Pärchen, die engumschlungen über die Puente de los Suspiros (Seufzerbrücke) schlendern. Es bleibt im Barrio Barranco, trotz des ungezügelten Treibens auch Platz für ein wenig Romantik. Viele Verliebte nutzen die Zeit für ein keines Stelldichein an dieser kleinen Holzbrücke, die „strategisch“ ungünstig beleuchtet ist.
Unter der Brücke reihen sich zahllose Restaurants, Bars und Pubs aneinander, in denen neben den üblichen Getränken auch „Pisco sour“ angeboten wird. Dieses Getränk ist ein Schnaps aus Traubenmost mit einem geschlagenen Ei, Zimt, Zitrone und Eis.
Doch meine Freunde zieht es zu „Juanito“ einer uralten Bar, die am besten für das „Warmlaufen lassen der Motoren“, bei einem kleinen Plausch geeignet ist. Danach planen wir einen Besuch im Tayta, einem Pub mit guter spanischer Rockmusik, nebenan im Candelaria wollen wir uns dann später Tanz mit traditioneller Musik ansehen.
Im Juanito tauchen wir zuerst einmal in eine dichte Qualmwolke, bevor wir die geformten Tische, das Getöse und den Biergeruch überhaupt wahrnehmen. Wir bestellen beim Kellner (mosaico) ein paar chelitas bien heladio reyes (kaltes Bier) und probieren nebenbei noch butifarra, eine Art Empanada (Pastete) mit Schinken und einer Sosse aus Zitronensaft und Zwiebeln.
Schnell werden wir als Ausländer ausgemacht und so stehen wir schnell im Mittelpunkt des Geschehens. Wir trinken mit Philosophen, stossen an mit Poeten und schwatzen mit bekannten Künstlern der Szene. Biere kommen, Biere gehen und wir verlassen auch so langsam das „Juanito“.
Tayta bedeutet in der Sprache Quechua soviel wie Papa. Ein kleines Männchen mit wallendem Bart zupft die Saiten seiner Gitarre und singt eindrucksvoll „En algún lugar de un gran país, olvidaron construir un lugar donde no queme el sol y que al nacer no hay que morir“ Aus den hintersten Winkeln der Kneipe prosten die Menschen dem Cantane zu, während an der Theke derweil die Flaschen im Akkord geöffnet werden.
Klar, dass wir da nicht lange mithalten können.
Jetzt zieht es uns in das Candelaria, wo wir auf den Rhythmus Perús treffen. Die Musik zieht uns unweigerlich in ihren Bann. Männer und Frauen geben sich die Hände und bilden einen Kreis, genauso wie sie es in den Hochandentälern seit ewigen Zeiten zu tun pflegen, wenn ein Fest ansteht. Wild und für unser Empfinden ungestüm geht der Tanz,bis die Protagonisten in ihrem eigenen Schweiss gebadet sind. Die komplette Kultur der Hochanden scheint auf uns herabzuprasseln.
Ohne dass es uns bewusst wurde, haben wir einige Stunden in dem Lokal verbracht, die Sinne berauscht taumeln wir in die aufgehende Morgensonne hinaus.
Eine Nacht in Barranca mit all ihren Freuden, Eitelkeiten und Opfern liegt hinter uns.
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